Puten mit ungekürzten Schnäbeln – ein praxisbezogenes Projekt mit medialem Wissenstransfer (#Pute@Praxis)

Handlungsfelder

  • Konzeptvorschläge zur Erfassung von Tierwohl-Indikatoren und Zuchtmerkmalen
  • Reduktion des Arzneimitteleinsatzes
  • Verbesserung der Fütterung
  • Verbesserung des Wohlbefindens des Tieres, des Gesundheits- und Hygienestatus von Betrieben
  • Verzicht auf mit Schmerzen verbundene Eingriffe am Tier

Aktualisierung zur Buchversion (Stand 08.01.2024)

Eine große Herausforderung in der Haltung von Puten ist das multifaktoriell bedingte Beschädigungspicken. Dabei fügen die Tiere sich Pickverletzungen zu, die zu einem großen Tierschutzproblem führen können. Daher wird den Tieren unter konventionellen Bedingungen derzeit mittels Infrarotstrahl in der Brüterei der Schnabel gekürzt. Zwar picken auch Puten mit gekürzten Schnäbeln – die Verletzungen sind aber weniger schwer. Ein zentrales Ziel der deutschen Geflügelbranche ist der Ausstieg aus dem Schnabelkürzen. Um dieses Ziel zu realisieren ist eine Zusammenarbeit in allen Bereichen notwendig. Hier hat das MuD Tierschutz Projekt #Pute@Praxis angesetzt. Ziel war es, mit einem Gesamtpaket tierwohlfördernder Maßnahmen einen Einfluss auf das Pickgeschehen zu nehmen, sodass mittelfristig auf das Kürzen des Oberschnabels verzichtet werden kann und allgemein der Tierschutz in der Putenhaltung verbessert werden kann. Dafür wurden auf dem Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft insgesamt zwei Durchgänge mit Putenhennen mit intakten Schnäbeln unter optimierten Haltungsbedingungen durchgeführt. Diese Durchgänge dienten dazu, erste Projekterfahrungen in der Haltung dieser Tiere zu sammeln und den Landwirt/innen die Umsetzung der Maßnahmen zu demonstrieren. Insgesamt konnten vier konventionelle und zwei alternative Betriebe gefunden werden, die sich der Projektidee annahmen. Gemeinsam mit den Landwirt/innen wurde für jeden Betrieb ein individuelles Maßnahmenpaket geschnürt, das unter anderem Beschäftigungsmaterialen, Strukturelemente und einen Notfallkoffer enthielt. Auf den konventionellen Betrieben Putenhennen der Genetik B.U.T. 6, Herdengrößen zwischen 1.900 und 7.500 Tieren, Haltungsdauer 16 Wochen) wurde zuerst ein Durchgang mit gekürzten Schnäbeln plus Optimierungsmaßnahmen durchgeführt, bevor im zweiten und dritten Durchgang Tiere mit intakten Schnäbeln plus Optimierungsmaßnahmen eingestallt wurden. Auf den alternativen Betrieben (schnabelintakte gemischtgeschlechtliche Herden der Genetik B.U.T. 6 bzw. Cartier Hendrix, Herdengrößen 600 – 1.700 Tiere, Haltungsdauer bis zu 26 Wochen) wurde zuerst mit einem Status quo Durchgang gestartet. Die beiden Betriebe halten seit Jahren Puten mit intakten Schnäbeln. Im zweiten und dritten Durchgang wurden zusätzlich die im Rahmen des Projekts ausgewählten Maßnahmen eingesetzt. Insgesamt konnten 25 Herden während der Praxisphase auf den Betrieben begleitet werden. Davon waren 8 Herden mit schnabelgekürzten Tieren und 18 (11 alternativ + 7 konventionell) schnabelintakte Herden. Über die gesamte Praxisphase hinweg konnten 81.707 Tiere begleitet werden. Die Ergebnisse zeigen, dass Beschädigungspicken durch die eingesetzten Maßnahmen nicht verhindert werden können und dass es starke herdenindividuelle Variationen im Auftreten und Ausmaß von Beschädigungspicken gibt. Bei der Einstallung von Puten mit intakten Schnäbeln sollte ein Notfallkoffer für kritische Zeiträume immer bereitgehalten werden, sowie eine Separationsmöglichkeit. Bereits Tiere mit kleinsten Verletzungen sollten frühzeitig aus der Herde separiert werden. Auch eine Möglichkeit zur Verdunklung ist vorzuhalten, wenn das Pickgeschehen nicht mehr mit anderen Maßnahmen eingrenzbar ist. Generell hat sich gezeigt, dass die Haltung von Puten mit intakten Schnäbeln einen hohen Anspruch an die Tierbetreuung stellt. Es ist ein schnelles und situationsabhängiges Handeln, sowie schnelles Reagieren notwendig. Die Kontrollgänge müssen ausgeweitet werden. Im Projekt waren Kontrollgänge bis zu sechs Mal am Tag notwendig, dieses führt zu einem deutlich höheren Arbeitseinsatz. Die vielen Verletzungen und die Tiere, die aufgrund ihrer Verletzungen versterben oder notgetötet werden, stellen zudem eine hohe emotionale Belastung an den Tierhalter/in. Generell lässt sich aber festhalten, dass Beschäftigungs- und Strukturelemente von den Tieren gut angenommen und genutzt werden. Auch die Tierhalter/innen bewerteten den Einsatz und die Nutzung der Elemente als positiv. Vor dem Hintergrund, dass auch Tiere mit gekürzten Schnäbeln Beschädigungspicken zeigen, ist der Einsatz einer optimierten Haltungsumwelt zu empfehlen. Die Mortalität, die notwendigen Separationsmaßnahmen, sowie die Prävalenz aufgetretener Pickverletzungen bei schnabelintakten, konventionell gehaltenen Putenhennen zeigen allerdings, dass unter den vorgenommenen Optimierungsmaßnahmen die Haltung eine Herausforderung ist und bleibt.

Auf den zwei alternativen Betrieben hingegen ist die Mast von Puten mit intakten Schnäbeln schon seit Jahren Standard. Im Projekt wurde sich auch auf diesen Betrieben ebenfalls das Pickverhalten, die Verluste und die Verletzungen angeschaut. Letztendlich lässt sich feststellen, dass auf diesen Betrieben die Verluste aufgrund von Pickverletzungen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Hier waren Krankheitsausbrüche und / oder Beutegreifer im Auslauf eher verantwortlich für aufgetretene Verluste. Welche Einflüsse das entschleunigte Wachstum, die teilweise unterschiedliche Genetik, der Grünauslauf, die geringe Besatzdichte oder die gemischtgeschlechtliche Haltung dabei spielen konnte im Rahmen des Projekts noch nicht eindeutig ermittelt werden.

 

Förderhinweis

Das Projekt #Pute@Praxis ist Teil der Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz im Bundesprogramm Nutztierhaltung. Die Förderung erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages, Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Förderkennzeichen «FKZ 2817MDT6011».

 

Bearbeitungszeitraum
01.05.2020 – 31.12.2023

Weiterführender Internetlink
https://www.mud-tierschutz.de/mud-tierschutz/wissen-dialog-praxis/puten/optimierte-haltung
https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/tierproduktion/gefluegelhaltung/projekte/putepraxis.htm

Forschungsnetzwerk NRW-Agrar